Aktiv statt Passiv: lebendige Texte schreiben
Immer aktiv bleiben!
Im Deutschen gibt es zwei Möglichkeiten, eine Handlung an einem Objekt auszudrücken. Man kann dabei entweder den Akteur oder das Objekt in den Mittelpunkt rücken.
Peter schrieb einen Brief.
Hier steht Peter im Mittelpunkt des Geschehens.
Der Brief wurde von Maria geschrieben.
Jetzt steht der Brief im Mittelpunkt. Das kann unter bestimmten Umständen durchaus gewollt sein – etwa in einem Kriminalroman: Wenn die Verteidigerin vor Gericht betont, dass jener Brief nicht von Peter, sondern von Maria geschrieben wurde, dann könnte sie sagen: „Dieser Brief wurde von Maria geschrieben!“
In unserem Alltag als professionelle Texterinnen und Texter schreiben wir aber selten an Romanen, die von Beweismitteln handeln. Unsere Geschichten drehen sich idealerweise um Menschen, die etwas tun. Das macht einen Text nämlich interessant. Kurz: Lesende Menschen interessieren sich tendenziell mehr für Peter und Maria als für einen leblosen Brief. Damit ist klar, dass wir aktive Formen den passiven vorziehen sollten.
Das Passiv – also Konstruktionen wie „Der Brief wurde geschrieben“ – nennt man übrigens auch „Leideform“. Und es ist nicht nur das Objekt, das dabei „leidet“. Bei zu viel sprachlicher Passivität leidet der ganze Text. Ein Beispiel für überbordenden Passivstil habe ich in einer Aussendung gefunden – hier natürlich anonymisiert:
Am heurigen „Tag der Kürbisse“, am 1. April 2020, wurden Führungen durch die Kürbisfelder in Entenhausen durchgeführt. Zu lokalen Sehenswürdigkeiten und interessanten Orten wurden auch Kurzführungen angeboten, die zu ganzen Touren kombiniert wurden. Die Führungen wurden kostenlos angeboten, jedoch wurden Spenden in Höhe von 10.000 Talern für verwaiste Entenküken gesammelt, die nun übergeben wurden.
Hier leidet alles, die Kurzführungen, die Spenden und vermutlich auch die Kürbisse. Der Text wirkt nicht nur kalt und tot, er ist außerdem auch noch schwer zu lesen, weil Passivkonstruktionen ihn aufblähen.
Wenn man versucht, dieses Ungetüm aufzulösen, stößt man unweigerlich auf ein Problem: Bei Passivkonstruktionen weiß man oft nicht, wer der Akteur ist. Sie kaschieren also inhaltliche Lücken, manchmal unbewusst, manchmal bewusst. Wenn diese Aussendung ein eigener Text ist, wäre es jetzt an der Zeit, einfach nachzufragen, wer denn diese Führungen abgehalten hat. Das Ergebnis könnte dann so aussehen:
Am heurigen „Tag der Kürbisse“, am 1. April 2020, organisierte der Verband der Entenhausener Kürbisbauern Führungen durch die Kürbisfelder.
Wenn sich diese Information nicht eruieren lässt oder es sich um einen Text handelt, den man korrigiert, kann man das Passiv trotzdem eliminieren:
Am heurigen „Tag der Kürbisse“, am 1. April 2020, fanden Führungen durch die Kürbisfelder in Entenhausen statt. Zu lokalen Sehenswürdigkeiten und interessanten Orten gab es auch Kurzführungen, die sich zu ganzen Touren kombinieren ließen. Die Führungen waren kostenlos, aber die Veranstalter sammelten Spenden in Höhe von 10.000 Talern für verwaiste Entenküken – nun hat man sie überreicht.
Ersatzformulierungen für das Passiv sind also:
- Den Akteur nennen – die weitaus beste Lösung: „Der Veranstalter hat …“
- Eine Konstruktion mit „man“: „Man hat sie überreicht.“
- Eine Konstruktion mit „lassen“: „Sie lassen sich kombinieren.“
- Eine Konstruktion mit „es gibt“ „Es gab Führungen.“
- Verzicht auf das Verb und eine Konstruktion mit „sein“: „Sie waren kostenlos.“
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