Lost oder lit? Der Jugendsprache auf den Zahn gefühlt
Gedanken zur Mundart der Generation Z
Sie ist in aller Munde – von vielen argwöhnisch beäugt und Unzähligen gefeiert: Die Sprache der Jugend. Was gestern noch „cool“ war, ist heute „lit“ – und morgen?
Morgen gibt es „safe“ wieder einen neuen Wort-„crush“. Zugegeben, da raucht das „planetare brain“ und das Tempo von Neuwortbildungen, sogenannten Neologismen, ist kaum aufzuhalten. Aber wenn du jetzt geradezu fieberhaft überlegst, was all diese Begriffe bedeuten sollen, dann „wrap“ dich ein und lern ein wenig dazu. Denn was du gerade gelesen hast, ist gespickt mit Begriffen, die die deutsche Sprachwelt unsicher machen. Zumindest, wenn man zur Generation Z, der Nachfolgegeneration der Generation Y (Millenials), zählt.
3, 2 ,1 … Tauchgang in den 2021-Wörterpool
Insgeheim wissen wir es schon lange, doch wenn man nun in den Straßen die Ohren spitzt, wird es überdeutlich: Unsere Sprache verändert sich. Große Fragezeichen tun sich auf, wenn man Konversationen oder Chatverläufen der jungen Generation folgt (oder auch so manch anderen) – man ist buchstäblich „lost“ (Das englische Wort bedeutet übersetzt eigentlich „verloren“, wird jedoch im Kontext von „keinen Durchblick haben“ verwendet). Viele Abkürzungen scheinen irgendwie sinnbefreit zu sein. Denkt man. Bis man in das Wörtermeer der Jugendsprache abtaucht. Da kommt dann endlich die „Big Brain Time“ (Sinngemäß heißt die humoristische englische Phrase so viel wie „Zeit des Genies“, gleichzeitig wird damit auch ironisch auf äußerst missglückte Handlungen verwiesen).
Sprachaneignung, Identifikation und grenzenlose Kreativität
Worte gehören dann zur Jugendsprache, wenn sie Eingang in den Sprachgebrauch der jungen Menschen finden und dort Wurzeln schlagen. Dabei ist die Einordnung dessen, was zur Sprache der Jugend zählt, meist subjektiv. Oft dienen Jugendworte dazu, sich bewusst von anderen abzugrenzen. Andere sind dabei Ältere, Autoritäten, Erwachsene. Die Begriffe der Jugend werden von denjenigen verstanden, für die sie Relevanz haben und sie begründen ein „Wir“-Gefühl. Das Spiel mit Sprache hat eine Identifikations-Funktion unter Gleichgesinnten.
Jede Generation hat ihre eigenen Begriffe – Vorlieben für gewisse Themen scheinen jedoch über die Zeit hinweg gleichzubleiben: Familie, Freundschaft oder etwa die Thematisierungen von Freude, Sexualität, Kritik und Ahnungslosigkeit. Inspiriert werden die Worte ganz unterschiedlich, ob von (sozialen) Medien, der Musikszene oder dem eigenen Umkreis – der Neologismus-Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
Besonders auffällig ist natürlich der Anglizismus-Trend, also die Einbettung englischer Worte in den deutschen Sprachraum, der nach wie vor anhält – Tendenz steigend. Auch Worte aus dem Arabischen werden immer beliebter. Historisch gesehen ist es nichts Neues, aus dem Fremdsprachen-Süppchen zu löffeln. Schon im 17. und 18. Jahrhundert wurde auf die französische, griechische und lateinische Sprache zurückgegriffen, die in der deutschen Sprache Einzug hielt.
Kritisch-politisch, ziemlich gucci
Viele Jugendwörter haben eine politische Konnotation. Wenn du ein „Ally“ – also ein*e Verbündete*r – bist, stehst du auf der Seite von Minderheiten und diskriminierten, marginalisierten Personengruppen. In Zeiten wie diesen kann man gar nicht genug Allies haben und erhält vielleicht sogar den Titel „Ehrenmensch“ obendrauf. Auch das Gendern wird in der Jugendsprache Thema. So umschreibt „jemensch“ eine gendergerechte Version von „jemand“.
Wortkombinationen blühen in der Jugendsprache regelrecht auf. Zusammengefasst wird, was zusammenpasst – alles ganz schön „wyld“. Zum Beispiel der Begriff „Corontäne“, der das Coronavirus und eine damit verbundene Quarantäne zusammenstöpselt. Na, schon mütend vom Lesen? Nein, das war kein Tippfehler. „Mütend“ ist eine Wortkombination aus müde und wütend und reiht sich in die Beschreibungen von Gemütszuständen ein, in denen sich auch „hangry“ findet lässt („hungry“ + „angry“) Ziemlich clever, ziemlich gucci. („gucci“ bezeichnet übrigens etwas, das gut ist.) Und ziemlich oft ganz nützlich, wenn man sich mit wenig sprachlichen Mitteln erklären möchte.
On fire oder cringe? Was tun mit der Jugendsprache?
Die Meinungen zur Jugendsprache sind gespalten. Die einen sind „on fire“ (sinngemäß so etwas wie „Feuer und Flamme sein“, „für etwas brennen“ oder „euphorisch sein“) für die anderen ist das Ganze ziemlich „cringe“ (was so viel bedeutet wie „zusammenzucken“, jedoch „peinlich berührt sein“, „sich für etwas (fremd)schämen“ meint und zum Jugendwort des Jahres 2021 gewählt wurde).
Doch wie soll man nun mit den Neologismen der jungen Mitmenschen umgehen? Neue Worte bieten immer auch die Chance, den Wortschatz ein wenig aufzupeppen. In welchem Ausmaß bleibt dabei eine subjektive Entscheidung und nicht jedes neue Wort muss im eigenen Sprachgebrauch Einklang finden. Selbst, wenn das Ganze am Anfang noch „sus“ (verdächtig) wirkt: Das Lernen über Jugendworte ermöglicht es, die Sprechenden etwas besser zu verstehen und sie dort abzuholen, wo sie sind. Man möchte schließlich nicht ganz „cheugy“ sein (also „untrendy“, oder langweilig) oder als „Geringverdiener*in“ (Verlierer*in) bezeichnet werden, weil man ihren Sprachgebrauch nicht „akkurat“ findet oder sogar missbilligt.
Selbst wenn man es einfach nicht „fühlt“, das Ganze nicht gerade „papatastisch“ findet und den eigenen Sprachgebrauch nicht aufpolieren möchte – fortschrittliches Denken heißt auch zuhören und dadurch lernen. „No Front“ (Bezeichnung für eine Botschaft, die nicht verletzend, abwertend oder negativ gemeint ist), aber schlussendlich heißt es: Wer mit der Zeit gehen will, der muss sich auch mit dem Wandel arrangieren. In welcher Form auch immer. Unsere Sprache verkommt nicht. Sie ändert sich nur ein bisschen.
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