„belegtes Brot“ oder „Belegtes Brot“? – Wenn Marketing die Grammatik herausfordert
Es zählt zu einer fixen Frage im Alltag eines Lektors: Kann man ein Adjektiv auch großschreiben, wenn die Verbindung aus Adjektiv und Substantiv so klingt, als wären die beiden eine feste, ja unzertrennliche Verbindung eingegangen, die für die Ewigkeit hält? Gerade in der Kulinarik gibt es eine endlose Liste an Zusammensetzungen dieser Art – und so kommt es auch immer wieder zu Fragen dazu. Der Geschäftsführer einer Werbeagentur, für die ich schon seit vielen Jahren arbeite und die wirklich schöne und wahrhaft geschmackvolle Sachen macht, hat mir also die Frage gestellt: „Muss das echt ein kleines ‚b‘ sein bei belegtes Brot?“ Was man dazu wissen muss: Er hat mit seinem Kunden diese Diskussion bereits geführt und der Kunde besteht auf dem kleinen „b“. Er, der Kreative, hätte lieber das große „B“. Was also tun?
Das sagt „die Regel“
Fangen wir mit „der Regel“ an: Ja, es muss klein sein. Grammatikalisch gesehen … eigentlich … aber ganz so einfach ist das natürlich nicht. Denn wo Sprache auf Marketing trifft, wird’s knifflig. Der Werbeprofi wollte, dass „Belegtes Brot“ wie eine Marke wirkt. Verständlich. Schließlich verkauft sich ein „Belegtes Brot“ besser als ein schlichtes, unsicheres „belegtes Brot“. Klingt wichtiger. Exklusiver. Irgendwie g‘schmackiger. Aber bevor wir uns jetzt alle dranmachen, alle Eigenschaftswörter großzuschreiben, weil es besser aussieht oder bedeutender klingt, werfen wir einen genaueren Blick in den Duden, und der ist da recht klar – vorerst einmal. Er sagt: Bei Zusammensetzungen aus Adjektiv und Substantiv ist die Kleinschreibung des Adjektivs der Normalfall. Angeführt werden Beispiele wie „die absolute Mehrheit“, „die alten Sprachen“, „der freie Mitarbeiter“, „das geistige Eigentum“ etc.
Großschreibung hingegen gilt dann, wenn es sich um „fachsprachliche Bezeichnungen bestimmter anderer Fachbereiche handelt“, etwa „Alte Geschichte“ oder „Neuer Markt“ (Wirtschaft). Groß- und Kleinschreibung hingegen ist möglich bei fixen Einheiten bestimmter Fachsprachen, also etwa der goldene oder Goldene Schnitt (Mathematik), das schwarze oder Schwarze Loch (Astronomie) oder die rote oder Rote Karte, das gelbe oder Gelbe Trikot (Sport). Super, also geht das große „B“ in „Belegtes Brot“ ja ohne Probleme, weil es kulinarische Fachsprache ist, oder? Streng genommen könnte man es so argumentieren, wobei für kulinarische Fachsprache gibt es bei Weitem treffendere Beispiele.
„Ich mach’ es zur Marke!“
Mein Freund aus der Werbung hat allerdings noch ein ganz anderes Argument: „Ich mach’ es zur Marke!“ Jetzt wird es natürlich spannend, denn das hat schon was. In der Werbung ist vieles erlaubt – zumindest stilistisch. Sprache wird hier oft bewusst gegen die Norm eingesetzt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. „Belegtes Brot“ als Eigenname kann funktionieren. Es wirkt fast wie ein Markenname, ähnlich wie „Happy Meal“ oder „Frischer Genuss“. Und: Im Marketing zählt Wirkung eben manchmal mehr als Grammatik.
Aber: Wenn der Text nicht eindeutig zeigt, dass „Belegtes Brot“ eine Art Produktname ist, sieht es einfach aus wie ein Fehler. Und das ist das Risiko. Wenn ich als Lektor „belegtes Brot“ in Kleinschreibung gesehen hätte, hätte ich nicht darüber nachgedacht, ob man es besser großschreiben sollte. Umgekehrt: Das „Belegte Brot“ in Großschreibung hätte mich zum Nachdenken gebracht und ich hätte es mit Sicherheit ausgebessert. Ein belegtes Brot ist schließlich einfach nur ein simples belegtes Brot und kein Schwarzes Loch …
Was tun?
Was also meinem ebenso sprach- wie markenbewussten Kunden raten? Hm … knifflig. Ich würde es trotz aller möglichen und plausiblen Einwände kleinschreiben. Allein schon um das Risiko, dass man es als falsch wahrnehmen könnte, auszuschließen. Schließlich geht es ja auch um den Ruf seines Kunden. Was auch bei der Entscheidung hilft, ist, sich Analogien vorzustellen und zu überlegen, wie man das Adjektiv an dieser Stelle schreiben würde, also etwa „ein gekochtes Ei“, „eine saure Extrawurst“, „ein gebackenes Schnitzerl“, „gedünstetes Gemüse“ etc.
Eines muss man natürlich auch erwähnen: Es gibt eine erkennbare Tendenz dazu, Adjektive in solchen Verbindungen eher großzuschreiben. Zwei der wohl gängigsten Beispiele dafür sind „Soziale Medien“ und „Künstliche Intelligenz“. Man muss die Eigenschaftswörter darin nicht großschreiben, man kann – und die meisten tun das auch.
Wie so oft gibt es auch in diesem Bereich Grauzonen, in denen beides erlaubt ist. Und als Trost sage ich meinem beherzten Freund aus der Werbung, der so gerne das große „B“ gehabt hätte, Folgendes: Das Wichtigste beim belegten Brot ist die Art, wie es zubereitet wird. Und das macht jedes belegte Brot zu einer unverwechselbaren Marke!